Der "Süßwassertang" ist weder ein Moos noch eine Alge, sondern ein Prothallium (Vorkeim, Gametophyt) eines Farns. Seine Aquarienkarriere begann, als es um 2001 von Christel Kasselmann in einem ihrer Aquarien entdeckt, vermehrt und an andere Aquarianer weitergegeben wurde (Kasselmann 2007). Es verbreitete sich unter den Hobbyisten bald weltweit. Von Internet-Anbietern wurde die botanisch völlig unpassende, aber populär gewordene Bezeichnung "Süßwassertang" kreiert. Die Wildherkunft ist unbekannt; unbemerkte "Einschleppung" mit anderen Pflanzen aus der Natur oder aus Gärtnereien ist denkbar.
Im Jahr 2007 hat ein Forscherteam die Identität dieser Pflanze durch eine Molekularanalyse teilweise entschlüsselt: Die untersuchten DNA-Sequenzen stimmen zu 97 % mit denen des Farns Lomariopsis lineata überein, der in Südostasien vorkommt. Das war überraschend, denn diese große Farnart ist keine Wasserpflanze, sondern klettert meistens als Aufsitzerpflanze (Epiphyt) mit ihren langen Rhizomen auf Bäumen. Allerdings wurde diese Art auch schon auf Steinen in periodisch austrocknenden Flüssen angetroffen. In der Natur wurden aber offenbar noch keine im Wasser wachsenden Prothallien von Lomariopsis lineata entdeckt.
Nach der DNA-Untersuchung ist die Zugehörigkeit des "Süßwassertangs" zur Art Lomariopsis lineata zwar möglich, doch andere Lomariopsis-Arten lassen sich nicht ausschließen (Li et al. 2009). Daher wird das Farn-Prothallium hier vorläufig Lomariopsis cf. lineata genannt.
Dieser eigenartige Farn-Gametophyt, an dem bisher noch keine Entwicklung von Farn-Jungpflanzen (Sporophyten) beobachtet worden ist, sieht dem Lebermoos Monosolenium tenerum (irrtümlich "Pellia" genannt) ähnlich. Beide Pflanzen bestehen aus einem verzweigten, bandförmigen sogenannten Thallus. Sie werden zuweilen miteinander verwechselt, deshalb werden hier einige Unterschiede genannt:
- Lomariopsis cf. lineata:
Thallus durchweg membranartig dünn (nur eine Zellschicht dick), ohne Mittelrippe, mit breiten, runden Lappen ohne Kerbe an der Spitze. Rhizoiden (wurzelhaarähnliche Haftorgane) unregelmäßig auf der Unterseite verstreut, auch nahe dem Thallus-Rand, oft büschelartig gehäuft. Thallus transparenter und dunkler grün, flexibler und weniger brüchig als Monosolenium.
- Monosolenium tenerum:
Thallus stärker, mehr als eine Zellschicht dick, mit läglicheren, schmaleren Gabelästen, Spitze weniger abgerundet, teilweise mit kleiner Kerbe. Deutliche Mittelrippe, die auf der Unterseite hervortritt und dicht mit Rhizoiden besetzt ist. Im Gewebe sind Ölkörperzellen als kleine helle (im Auflicht) oder dunkle (im Durchlicht) Pünktchen sichtbar. Die Pflanze ist sehr brüchig. Bei Schwachlicht wachsen die Thallus-Äste aufrecht und sind sehr schmal ausgebildet.
L. cf. lineata kann wie Monosolenium tenerum verwendet werden und hat gegenüber diesem Lebermoos einige Vorteile: die Thalli sind viel weniger brüchig und heften sich zum Teil mit ihren Rhizoiden auf Dekorationsgegenständen fest. Der Bestand entwickelt sich besonders bei viel Licht kompakter, während Monosolenium eher in die Breite wachsende Triebe bildet.
Wird fortgesetzt...
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