Hallo zusammen,
wie in meiner Mitgliedervorstellung angedroht, möchte ich von einem aquaristischen Erlebnis berichten, das schon mehr als vier Jahrzehnte zurückliegt, mir aber nach wie vor sehr präsent im Gedächtnis geblieben ist: Ein Becken ganz ohne Technik mit zufälligen Bewohnern und einem jahreszeitlich schwankenden Bewuchs.
Die Geschichte begann mit einem Ausflug in ein nahe gelegenes Moor, um ein paar Wasserpflanzen zu stibitzen. Es war, soweit ich mich erinnere, April oder Mai. An einer günstigen Stelle sammelte ich eine Reihe Pflanzen aus dem Wasser, vor allem Myriophyllum verticillatum, Hydrocharis morsus-ranae und eine Wasserpestart, vermutlich Elodea canadensis. Da es noch recht früh im Jahr war und die Pflanzen noch relativ klein gewesen sind, wollte ich sie in einem separaten kleinen Kunststoffbecken von ca. 25 Litern Inhalt erst einmal aufpäppeln, bevor sie dann ins eigentliche Aquarium kommen sollten. Damit ich mir keine Krankheitskeime einschleppte, hatte ich die Pflanzen in Kaliumpermanganat gebadet. Das Becken hatte eine dünne Schicht aus recht grobem Kies als Bodengrund und wurde mit mittelhartem Leitungswasser gefüllt. Als Anschubdüngung gab ich eine Tablette Cryptodünger dazu. Tausendblatt und Wasserpest wurden in den Boden gesteckt - das war's.
Das Becken stand auf der Fensterbank eines Nordfensters und hatte dadurch außer an wenigen Minuten am Morgen im Hochsommer niemals direktes Sonnenlicht. Um die Verdunstung zu begrenzen, erhielt es etwas später noch eine Abdeckung in Form eine Plexiglas-Walmdachs mit Lüftungsschlitzen am unteren Rand und einer kleinen Futteröffnung, die mit einer beweglichen grünen Plastikscheibe verschlossen werden konnte. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an diesen Plastikbeckentyp. Das Zimmer wurde nur spärlich beheizt, so dass auch das Wasser meist recht kühl war.
Zu meiner Überraschung entpuppten sich die Pflanzenstängel als nicht wirklich "desinfiziert", denn sie spuckten bald darauf ein ganze Füllhorn an Leben aus. Das Becken war von einer Vielzahl von Insekten, Mollusken und Würmern besiedelt, die anscheinend das Kaliumpermanganatbad schadlos überstanden hatten. An folgende Bewohner erinnere ich mich:
Die Pflanzenentwicklung war sehr interessant. Das erste, was wuchs, waren Grünalgen an den Scheiben, die ich beim ersten Mal noch entfernte. Wie ich später festgestellt habe, begann jedes Jahr mit einer ausufernden Grünalgenplage, die aber, wenn man nichts tat, genauso von alleine wieder verschwand wie sie begonnen hatte. Während die Algen noch Herren des Beckens waren, fingen die anderen Pflanzen an zu wachsen. Im ersten Jahr hatte ich das Becken komplett gefüllt mit etwa 70% Wasserpest und 30% Tausendblatt. Der Froschbiss entwickelte sich ebenfalls prächtig und blühte sogar. Das kleine Becken war wirklich komplett voll mit Pflanzenmasse. Im Herbst verschwand diese beinahe vollkommen. Auf dem Boden lagen wenige Zentimerter lange Stängel von Wasserpest und Tausendblatt sowie die Winterknospen des Froschbiss. Von der Pflanzenmasse des Sommers war eine dünne braune Schicht geblieben, die den Kies bedeckte. Über den Winter war das Becken komplett leer, wie es schien. Tiere waren ebenfalls nicht zu sehen.
Im nächsten Frühjahr begannen die Pflanzen wieder zu wachsen, nachdem die Algenphase, die ich diesmal gewähren ließ, zu Ende ging. In diesem Jahr hatte ich vor allem Tausenblatt und vergleichsweise weniger Wasserpest. Der Froschbiss etnwickelte sich ebenfalls wieder aus den Winterknospen, die im Verlauf des Frühjahrs vom Boden auftrieben und an der Oberfläche "aufgingen". Allerdings war der Wuchs der Schwimmpflanzen im zweiten Jahr nicht so üppig wie im ersten. Alle Bewohner waren auch wieder da und wimmelten durch das Becken wie im Jahr zuvor. Im Sommer musste ich dann hin und wieder fertige Insekten abfischen, deren Entwicklungszyklus als Wasserbewohner zu Ende war. Im Herbst das gleiche Spiel: alles schrumpfte zusammen und das Becken wurde wieder "leer".
Ab dem dritten Jahr nahm die Vitalität des Beckens, trotz Nachdüngung mit Cryptodünger, zunehmend ab, und es wurde im vierten Jahr dann abgebaut.
Die "Pflege" des Beckens bestand eigentlich nur darin, Wasser nachzufüllen, und vielleicht einmal im Jahr eine Düngetablette hineinzuwerfen. Ansonsten wurde weder gefüttert noch gedüngt.
Leider standen mir damals keine Wassertests zru Verfügung, weswegen ich nicht mit "harten Fakten" aufwarten kann, sondern nur mit Mutmaßungen.
Folgende Beobachtungen warten noch auf Erklärungen:
Was mich wirklich fasziniert hatte, war der Umstand, dass aus wenig Pflanzenmasse ein vollständig ausgefülltes Becken werden konnte, um dann wieder zu beinahe Nichts zu schwinden, nur um im neuen Jahr wiederaufzuerstehen. Ich hatte daran keinen Anteil. Das hat die Natur allein bewerkstelligt.
Allerdings, und das gebe ich unumwunden zu, ist eine Jahrezeitenbecken vermutlich eher selten eine - dauerhafte - Zierde eines Wohnzimmers.
Auf einer Fensterbank meines Arbeitszimmers steht seit ein paar Jahren ein 40er Becken, das ich testweise als Walstad-Aquarium aufgesetzt hatte. Mittlerweile ist es fast völlig mit Rotala rotundifolia zugewuchert, die jedes Jahr ab dem Frühjahr blüht. Die Überwassertriebe sterben im Herbst und Winter langsam ab. Das sind zwar auch jahrezeitliche Veränderungen, aber längst nicht in dem Ausmaß, wie ich es damals erlebt hatte.
Falls jemand einmal ähnliche Erfahrungen machen konnte und diese auch messtechnisch begleitet hat, wäre ich dankbar an diesen Erfahrungn teilhaben zu dürfen.
Viele Grüße,
Michael
wie in meiner Mitgliedervorstellung angedroht, möchte ich von einem aquaristischen Erlebnis berichten, das schon mehr als vier Jahrzehnte zurückliegt, mir aber nach wie vor sehr präsent im Gedächtnis geblieben ist: Ein Becken ganz ohne Technik mit zufälligen Bewohnern und einem jahreszeitlich schwankenden Bewuchs.
Die Geschichte begann mit einem Ausflug in ein nahe gelegenes Moor, um ein paar Wasserpflanzen zu stibitzen. Es war, soweit ich mich erinnere, April oder Mai. An einer günstigen Stelle sammelte ich eine Reihe Pflanzen aus dem Wasser, vor allem Myriophyllum verticillatum, Hydrocharis morsus-ranae und eine Wasserpestart, vermutlich Elodea canadensis. Da es noch recht früh im Jahr war und die Pflanzen noch relativ klein gewesen sind, wollte ich sie in einem separaten kleinen Kunststoffbecken von ca. 25 Litern Inhalt erst einmal aufpäppeln, bevor sie dann ins eigentliche Aquarium kommen sollten. Damit ich mir keine Krankheitskeime einschleppte, hatte ich die Pflanzen in Kaliumpermanganat gebadet. Das Becken hatte eine dünne Schicht aus recht grobem Kies als Bodengrund und wurde mit mittelhartem Leitungswasser gefüllt. Als Anschubdüngung gab ich eine Tablette Cryptodünger dazu. Tausendblatt und Wasserpest wurden in den Boden gesteckt - das war's.
Das Becken stand auf der Fensterbank eines Nordfensters und hatte dadurch außer an wenigen Minuten am Morgen im Hochsommer niemals direktes Sonnenlicht. Um die Verdunstung zu begrenzen, erhielt es etwas später noch eine Abdeckung in Form eine Plexiglas-Walmdachs mit Lüftungsschlitzen am unteren Rand und einer kleinen Futteröffnung, die mit einer beweglichen grünen Plastikscheibe verschlossen werden konnte. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an diesen Plastikbeckentyp. Das Zimmer wurde nur spärlich beheizt, so dass auch das Wasser meist recht kühl war.
Zu meiner Überraschung entpuppten sich die Pflanzenstängel als nicht wirklich "desinfiziert", denn sie spuckten bald darauf ein ganze Füllhorn an Leben aus. Das Becken war von einer Vielzahl von Insekten, Mollusken und Würmern besiedelt, die anscheinend das Kaliumpermanganatbad schadlos überstanden hatten. An folgende Bewohner erinnere ich mich:
- Rote Mückenlarven
- Köcherfliegenlarven
- Steinfliegenlarven
- winzige Wasserkäfer, deren Art ich nie herausgefunden habe
- andere Insektenlarven, die ich nicht zuordnen konnte
- Schnecken
- ein Egel, keine Ahnung welcher Art
Die Pflanzenentwicklung war sehr interessant. Das erste, was wuchs, waren Grünalgen an den Scheiben, die ich beim ersten Mal noch entfernte. Wie ich später festgestellt habe, begann jedes Jahr mit einer ausufernden Grünalgenplage, die aber, wenn man nichts tat, genauso von alleine wieder verschwand wie sie begonnen hatte. Während die Algen noch Herren des Beckens waren, fingen die anderen Pflanzen an zu wachsen. Im ersten Jahr hatte ich das Becken komplett gefüllt mit etwa 70% Wasserpest und 30% Tausendblatt. Der Froschbiss entwickelte sich ebenfalls prächtig und blühte sogar. Das kleine Becken war wirklich komplett voll mit Pflanzenmasse. Im Herbst verschwand diese beinahe vollkommen. Auf dem Boden lagen wenige Zentimerter lange Stängel von Wasserpest und Tausendblatt sowie die Winterknospen des Froschbiss. Von der Pflanzenmasse des Sommers war eine dünne braune Schicht geblieben, die den Kies bedeckte. Über den Winter war das Becken komplett leer, wie es schien. Tiere waren ebenfalls nicht zu sehen.
Im nächsten Frühjahr begannen die Pflanzen wieder zu wachsen, nachdem die Algenphase, die ich diesmal gewähren ließ, zu Ende ging. In diesem Jahr hatte ich vor allem Tausenblatt und vergleichsweise weniger Wasserpest. Der Froschbiss etnwickelte sich ebenfalls wieder aus den Winterknospen, die im Verlauf des Frühjahrs vom Boden auftrieben und an der Oberfläche "aufgingen". Allerdings war der Wuchs der Schwimmpflanzen im zweiten Jahr nicht so üppig wie im ersten. Alle Bewohner waren auch wieder da und wimmelten durch das Becken wie im Jahr zuvor. Im Sommer musste ich dann hin und wieder fertige Insekten abfischen, deren Entwicklungszyklus als Wasserbewohner zu Ende war. Im Herbst das gleiche Spiel: alles schrumpfte zusammen und das Becken wurde wieder "leer".
Ab dem dritten Jahr nahm die Vitalität des Beckens, trotz Nachdüngung mit Cryptodünger, zunehmend ab, und es wurde im vierten Jahr dann abgebaut.
Die "Pflege" des Beckens bestand eigentlich nur darin, Wasser nachzufüllen, und vielleicht einmal im Jahr eine Düngetablette hineinzuwerfen. Ansonsten wurde weder gefüttert noch gedüngt.
Leider standen mir damals keine Wassertests zru Verfügung, weswegen ich nicht mit "harten Fakten" aufwarten kann, sondern nur mit Mutmaßungen.
Folgende Beobachtungen warten noch auf Erklärungen:
- Die Veränderung der "Hauptpflanzen" von Wasserpest zu Tausenblatt im zweiten Jahr
- Die Verschlechterung des Wuchses des Froschbiss von Jahr zu Jahr (im dritten trieb er nur noch Kümmerformen)
- Die allgemein abnehmende Vitalität des Beckens
- Veränderung der Wasserchemie durch biogene Entkalkung (mit einhergehender PH-Wertveränderung) durch die Elodea wodurch
- diese selbst (und der Froschbiss?) schlechtere, das Tausendblatt aber bessere Bedingungen hatte
- Anreicherung mit wachstumshemmenden Stoffen (ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Wasserwechsel durchgeführt zu haben)
- Überdüngung (da die eingetragenen Stoffe zwar permanent umgebaut, aber niemals aus dem System entfernt wurden, könnten sich Stoffe angereichert haben)
Was mich wirklich fasziniert hatte, war der Umstand, dass aus wenig Pflanzenmasse ein vollständig ausgefülltes Becken werden konnte, um dann wieder zu beinahe Nichts zu schwinden, nur um im neuen Jahr wiederaufzuerstehen. Ich hatte daran keinen Anteil. Das hat die Natur allein bewerkstelligt.
Allerdings, und das gebe ich unumwunden zu, ist eine Jahrezeitenbecken vermutlich eher selten eine - dauerhafte - Zierde eines Wohnzimmers.
Auf einer Fensterbank meines Arbeitszimmers steht seit ein paar Jahren ein 40er Becken, das ich testweise als Walstad-Aquarium aufgesetzt hatte. Mittlerweile ist es fast völlig mit Rotala rotundifolia zugewuchert, die jedes Jahr ab dem Frühjahr blüht. Die Überwassertriebe sterben im Herbst und Winter langsam ab. Das sind zwar auch jahrezeitliche Veränderungen, aber längst nicht in dem Ausmaß, wie ich es damals erlebt hatte.
Falls jemand einmal ähnliche Erfahrungen machen konnte und diese auch messtechnisch begleitet hat, wäre ich dankbar an diesen Erfahrungn teilhaben zu dürfen.
Viele Grüße,
Michael