niko2
Member
Hallo!
Unglaublicher als das gezeigte Becken ist für mich die Hitzigkeit der Diskussion :wink: Vor allem ist die mittlerweile vom eigentlichen Thema abgekommen!
Vorweg: Über Geschmack und die Grenze zum Kitsch möchte ich nicht streiten, beides ist subjektiv. Ich würde sogar behaupten, dass Kitsch im osteuropäischen Kulturraum, dem der Gestalter des Aquariums angehört, nochmals völlig anders definiert ist.
Das Becken wirkt optisch sehr intensiv (wertungsfrei gemeint). Ich sehe aber eine klare Grenze zwischen Aquascaping und Modellbaulandschaft - die hier eindeutig überschritten ist:
Blättert man durch Takashi Amanos Bildbände, dann sieht man oft reale Landschaftspanoramen einem Aquascape gegenübergestellt. Die Aussage ist eindeutig: Ein Naturaquarium soll das Gefühl und eine Harmonie hervorzurufen, die sich auch beim Betrachten einer echten Landschaft in der Natur einstellt.
Was die Wirkung auf den Betrachter betrifft, stehen Stengelpflanzen für bewaldete Berge, Vordergrundpflanzen für Gras, Fische für Vögel, Garnelen für Kühe. Der Reiz eines Naturaquariums besteht in dieser Zweideutigkeit. Aus der Nähe betrachtet aber bleibt ein Fisch ein Fisch und die Wasserpflanze eine Wasserpflanze - nur das Gesamtbild vermittelt ein Gefühl, als würden Vögel über einem Wald schweben. Ein Naturaquarium sieht immer so aus, als könnte es möglicherweise, vielleicht auch natürlich gewachsen sein.
Hier liegt ein wichtiger Unterschied zur Modelllanschaft: das Modell ist die Miniatur einer echten Landschaft, das Naturaquarium aber ist eine Metapher, es vermittelt nur das Gefühl einer echten Landschaft (!). Der Unterschied ist subtil und vielleicht erst im zweiten Anlauf verständlich, aber gerade in dieser Subtilität liegt die Kunst des Aquascapings: das Aquascape gleichzeitig auf zwei Ebenen natürlich wirken zu lassen.
Dazu zwei Fotos von Steven Chong (Vergrößern durch Klicken):
Aquascape von Steven Chong
Eine natürliche Landschaft, evt. die Inspiration?
Landschaftsfoto von Steven Chong
Ich zitiere mal einen Satz aus der deutschen Übersetzung von Steven Chong's Aquascaping Philosopy 101:
"Aquascaping ist komplett auf die Natur begrenzt und sogar dort kann es nicht sehr genau reale Schauplätze wiedergeben, sondern eher in einer metaphorischen Art und Weise oder sogar nur in einer Fantasievorstellung von Natur."
Ein Gestaltungselement ist aber dann keine Metapher mehr, wenn es für sich gesehen kein natürliches Element des Aquariums mehr sein kann sondern nur noch eine Miniatur von etwas Größerem, zum Beispiel ein See aus poliertem Edelstein. Dieser See ist offensichtlich nicht natürlich und hat auch keine subtile Zweideutigkeit mehr: es ist ganz eindeutig im wörtlichen Sinn das Miniaturmodell eines Sees! Der Unterschied zur blubbernden Schatzkiste ist hier nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch graduell.
Zur Erinnerung die Definition der Metapher von Wikipedia (Der Deutschunterricht ist ja für viele schon eine Weile her :wink:
"Die Metapher ist eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird, [...]" (Hervorhebung von mir)
Die Metapher und die Natürlichkeit (im Ganzen wie auch im Detail) sind zwei Merkmale des Aquascapes nach Steven Chong. Das dritte Merkmal ist die Lebendigkeit: Die Veränderlichkeit der wachsenden Pflanzen ist ein Teil dieser Kunst. Es macht gleichzeitig die Schwierigkeit und auch die Wirkung des Aquascapings aus. Aus diesem Grund muss ein Aquascape gewachsen sein und das muss sich auch in der Momentaufnahme des Fotos ausdrücken. Das hier besprochene Becken ist aber nicht gewachsen, die Moose haben noch keinen Stein überzogen sondern wurden nur Stunden oder Tage vor dem Foto in ihre Position gedrückt. Ein Zitat aus der selben Quelle von Steven Chong:
"Aquascaping ist eine Kunst, die ihre Stärken aus dem „Lebendigen“ zieht, kombiniert mit der einzigartigen Fähigkeit Sachen metaphorisch abzubilden, [...]"
Das Becken von Octopus ist zweifellos nicht für lebende Tiere gedacht und ehrlich gesagt: Plastikpflanzen wären die konsequentere Wahl für dieses Art der Gestaltung, denn mit lebendigen, wachsenden Pflanzen ist der hier gewünschte und erzielte Eindruck des Beckens nach kurzer Zeit hinüber.
Ich möchte hier Niemanden abwerten. Künstliche Wasserfälle aus Sand, Unterwasserseen aus poliertem Glas, modellierte Bäume aus Moos... wem es gefällt soll glücklich damit sein!
Nur sollte man solche Aquarien bitte nicht als Aquascapes bezeichnen sondern als das, was sie sind: Miniatur-Modellbaulandschaften. Denn solche Aquarien entsprechen mindestens einem der drei zentralen Aspekte des Aquascapings nicht: Natürlichkeit, Lebendigkeit und metaphorische Darstellung. Auf das Becken von Octopus trifft kein einziger dieser drei Punkte zu.
Unglaublicher als das gezeigte Becken ist für mich die Hitzigkeit der Diskussion :wink: Vor allem ist die mittlerweile vom eigentlichen Thema abgekommen!
Vorweg: Über Geschmack und die Grenze zum Kitsch möchte ich nicht streiten, beides ist subjektiv. Ich würde sogar behaupten, dass Kitsch im osteuropäischen Kulturraum, dem der Gestalter des Aquariums angehört, nochmals völlig anders definiert ist.
Das Becken wirkt optisch sehr intensiv (wertungsfrei gemeint). Ich sehe aber eine klare Grenze zwischen Aquascaping und Modellbaulandschaft - die hier eindeutig überschritten ist:
Blättert man durch Takashi Amanos Bildbände, dann sieht man oft reale Landschaftspanoramen einem Aquascape gegenübergestellt. Die Aussage ist eindeutig: Ein Naturaquarium soll das Gefühl und eine Harmonie hervorzurufen, die sich auch beim Betrachten einer echten Landschaft in der Natur einstellt.
Was die Wirkung auf den Betrachter betrifft, stehen Stengelpflanzen für bewaldete Berge, Vordergrundpflanzen für Gras, Fische für Vögel, Garnelen für Kühe. Der Reiz eines Naturaquariums besteht in dieser Zweideutigkeit. Aus der Nähe betrachtet aber bleibt ein Fisch ein Fisch und die Wasserpflanze eine Wasserpflanze - nur das Gesamtbild vermittelt ein Gefühl, als würden Vögel über einem Wald schweben. Ein Naturaquarium sieht immer so aus, als könnte es möglicherweise, vielleicht auch natürlich gewachsen sein.
Hier liegt ein wichtiger Unterschied zur Modelllanschaft: das Modell ist die Miniatur einer echten Landschaft, das Naturaquarium aber ist eine Metapher, es vermittelt nur das Gefühl einer echten Landschaft (!). Der Unterschied ist subtil und vielleicht erst im zweiten Anlauf verständlich, aber gerade in dieser Subtilität liegt die Kunst des Aquascapings: das Aquascape gleichzeitig auf zwei Ebenen natürlich wirken zu lassen.
Dazu zwei Fotos von Steven Chong (Vergrößern durch Klicken):
Aquascape von Steven Chong
Eine natürliche Landschaft, evt. die Inspiration?
Landschaftsfoto von Steven Chong
Ich zitiere mal einen Satz aus der deutschen Übersetzung von Steven Chong's Aquascaping Philosopy 101:
"Aquascaping ist komplett auf die Natur begrenzt und sogar dort kann es nicht sehr genau reale Schauplätze wiedergeben, sondern eher in einer metaphorischen Art und Weise oder sogar nur in einer Fantasievorstellung von Natur."
Ein Gestaltungselement ist aber dann keine Metapher mehr, wenn es für sich gesehen kein natürliches Element des Aquariums mehr sein kann sondern nur noch eine Miniatur von etwas Größerem, zum Beispiel ein See aus poliertem Edelstein. Dieser See ist offensichtlich nicht natürlich und hat auch keine subtile Zweideutigkeit mehr: es ist ganz eindeutig im wörtlichen Sinn das Miniaturmodell eines Sees! Der Unterschied zur blubbernden Schatzkiste ist hier nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch graduell.
Zur Erinnerung die Definition der Metapher von Wikipedia (Der Deutschunterricht ist ja für viele schon eine Weile her :wink:
"Die Metapher ist eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird, [...]" (Hervorhebung von mir)
Die Metapher und die Natürlichkeit (im Ganzen wie auch im Detail) sind zwei Merkmale des Aquascapes nach Steven Chong. Das dritte Merkmal ist die Lebendigkeit: Die Veränderlichkeit der wachsenden Pflanzen ist ein Teil dieser Kunst. Es macht gleichzeitig die Schwierigkeit und auch die Wirkung des Aquascapings aus. Aus diesem Grund muss ein Aquascape gewachsen sein und das muss sich auch in der Momentaufnahme des Fotos ausdrücken. Das hier besprochene Becken ist aber nicht gewachsen, die Moose haben noch keinen Stein überzogen sondern wurden nur Stunden oder Tage vor dem Foto in ihre Position gedrückt. Ein Zitat aus der selben Quelle von Steven Chong:
"Aquascaping ist eine Kunst, die ihre Stärken aus dem „Lebendigen“ zieht, kombiniert mit der einzigartigen Fähigkeit Sachen metaphorisch abzubilden, [...]"
Das Becken von Octopus ist zweifellos nicht für lebende Tiere gedacht und ehrlich gesagt: Plastikpflanzen wären die konsequentere Wahl für dieses Art der Gestaltung, denn mit lebendigen, wachsenden Pflanzen ist der hier gewünschte und erzielte Eindruck des Beckens nach kurzer Zeit hinüber.
Ich möchte hier Niemanden abwerten. Künstliche Wasserfälle aus Sand, Unterwasserseen aus poliertem Glas, modellierte Bäume aus Moos... wem es gefällt soll glücklich damit sein!
Nur sollte man solche Aquarien bitte nicht als Aquascapes bezeichnen sondern als das, was sie sind: Miniatur-Modellbaulandschaften. Denn solche Aquarien entsprechen mindestens einem der drei zentralen Aspekte des Aquascapings nicht: Natürlichkeit, Lebendigkeit und metaphorische Darstellung. Auf das Becken von Octopus trifft kein einziger dieser drei Punkte zu.